In den vergangenen Jahren hat Aktivkohle zunehmend Aufmerksamkeit erlangt, insbesondere im Bereich der Ernährung und Nahrungsergänzung. Social-Media-Plattformen, Lifestyle-Magazine und verschiedene Online-Shops bewerben sie als Allzweckmittel, das angeblich entgiftet, das Verdauungssystem unterstützt und sogar beim Abnehmen helfen soll [1]. Darüber hinaus findet man Aktivkohle häufig in trendigen „Detox-Drinks“, in Zahnpasten, Gesichtsreinigern und sogar in diversen Beauty-Produkten. Diese breite Palette an Produkten suggeriert einen wahren Hype, der sich um die vermeintlich positiven Eigenschaften der Kohle rankt. Doch wie steht es wirklich um den Nutzen von Aktivkohle, wenn sie gezielt als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt wird?
Was ist Aktivkohle?
Definition von Aktivkohle
Unter Aktivkohle versteht man ein hochporöses Material, das über eine sehr große innere Oberfläche verfügt. Die Porenstruktur entsteht durch spezielle Herstellungsverfahren, bei denen natürliche Ausgangsmaterialien wie Holz, Kokosnussschalen oder Steinkohle unter hohen Temperaturen und oft unter Ausschluss von Sauerstoff „aktiviert“ werden [2]. Durch diesen Prozess verändern sich die Poren und Oberflächenstrukturen so, dass die Kohle eine äußerst effektive Adsorptionsfähigkeit erhält. Dieser Effekt unterscheidet sich wesentlich von einer einfachen, nicht aktivierten Kohle, wie sie beispielsweise beim Grillen verwendet wird.
Kurzer Überblick über die Herstellung
Um Aktivkohle herzustellen, wird das Ausgangsmaterial zunächst verkohlt. Dabei wird es hohen Temperaturen ausgesetzt, wobei flüchtige Bestandteile entweichen. Anschließend erfolgt die eigentliche „Aktivierung“. Dabei kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, häufig jedoch das sogenannte „chemische Aktivieren“ (z. B. mithilfe von Phosphorsäure) oder das „physikalische Aktivieren“ (z. B. mithilfe von Wasserdampf bei Temperaturen von bis zu 1.000 °C). Dieser Schritt verändert die Mikrostruktur der Kohle, sodass ein hochporöses Produkt mit einem deutlich vergrößerten Oberflächen-Volumen-Verhältnis entsteht. Um sich diese Struktur zu veranschaulichen: 1 Gramm Aktivkohle kann eine innere Oberfläche von bis zu 1.000 Quadratmetern oder mehr aufweisen [3]. Die Vielzahl an Poren sorgt für die enorme Fähigkeit, diverse Stoffe an sich zu binden.
Unterschied zwischen Aktivkohle und herkömmlicher Holzkohle
Im alltäglichen Sprachgebrauch werden „Kohle“ und „Aktivkohle“ oft in einen Topf geworfen. Jedoch bestehen erhebliche Unterschiede. Herkömmliche Holzkohle, wie sie in Grillbriketts zu finden ist, ist zwar ebenfalls verkohltes organisches Material, jedoch fehlt ihr der spezielle Aktivierungsprozess. Durch diesen Prozess erhält die Aktivkohle jedoch ihre stark ausgeprägte, feine Porenstruktur, ohne die sie ihre hochwirksamen Adsorptionseigenschaften nicht hätte. Während man Holzkohle in erster Linie als Brennmaterial nutzt, wird Aktivkohle in verschiedensten Bereichen eingesetzt, etwa in der Wasseraufbereitung, der Luftfilterung oder eben in Medizin und Nahrungsergänzungsmitteln[2].
Mechanismus und Wirkungsweise
Adsorption als zentrales Prinzip
Das wichtigste Stichwort im Zusammenhang mit Aktivkohle ist Adsorption. Dabei handelt es sich um einen physikalischen Prozess, bei dem gelöste oder gasförmige Stoffe an die Oberfläche eines Feststoffes gebunden werden. Anders als bei der Absorption, bei der Stoffe in das Innere eines Materials eindringen, lagern sich Moleküle bei der Adsorption lediglich an der Oberfläche an. Durch die große innere Oberfläche von Aktivkohle kann eine erhebliche Menge unterschiedlicher Substanzen – etwa Schwermetalle, bestimmte Giftstoffe oder organische Moleküle – gebunden werden [3]. Diese Eigenschaft hat zu einer weiten Verbreitung von Aktivkohle in verschiedenen Filtern, etwa zur Trinkwasseraufbereitung oder zur Entfernung von Gerüchen, geführt.
Einsatz in der Medizin versus Einsatz in der Nahrungsergänzung
In der klassischen Schulmedizin wird Aktivkohle schon seit langem bei akuten Vergiftungen eingesetzt. Sie kann beispielsweise nach einer Überdosis bestimmter Medikamente helfen, diese im Magen-Darm-Trakt zu binden und die Aufnahme in den Körper zu reduzieren [4]. Auch in Notaufnahmen ist Aktivkohle ein bekanntes Mittel, das allerdings zielgerichtet, meist in großen Mengen und unter ärztlicher Aufsicht angewendet wird.
Im Bereich der Nahrungsergänzung findet Aktivkohle hingegen oft in kleineren Dosen Verwendung, etwa in Kapseln oder als Pulver. Hier wird sie vor allem mit Versprechen wie „sanfte Entgiftung“, „Detox“ oder „Verdauungsunterstützung“ beworben. Viele Menschen greifen zu diesen Produkten in der Hoffnung, den Körper von „Schlacken“ oder „Giften“ zu befreien und ihre Gesundheit insgesamt zu fördern. Inwieweit diese allgemeinen Gesundheitsversprechen wissenschaftlich fundiert sind, wird jedoch kontrovers diskutiert [5]. Denn auch wenn die Adsorptionsfähigkeit prinzipiell gegeben ist, ist die gezielte Wirkung im Körper (etwa im Darm) bei normalen Nahrungsergänzungsdosierungen nicht ohne Weiteres nachgewiesen.
Mögliche Vorteile als Nahrungsergänzungsmittel
Bekannte Anwendungsgebiete
Werbeanzeigen und Erfahrungsberichte schildern unterschiedlichste Vorzüge der Einnahme von Aktivkohle als Nahrungsergänzungsmittel. Häufig sind Schlagworte wie „Reinigung“, „Entgiften“ oder „Detox“ zu lesen. Tatsächlich ist Aktivkohle in der Lage, bestimmte Substanzen an sich zu binden, was prinzipiell als „entgiftend“ interpretiert werden kann. Dies gilt jedoch vorrangig für den Magen-Darm-Trakt und vor allem dann, wenn tatsächlich Giftstoffe oder bestimmte unerwünschte Substanzen aufgenommen wurden [4].
Ein weiterer angeblicher Nutzen von Aktivkohle liegt in der Unterstützung des Verdauungssystems. In manchen Fällen berichten Anwenderinnen und Anwender, dass sich Blähungen reduzieren und das Völlegefühl nach schweren Mahlzeiten gemindert wird. In der Europäischen Union ist tatsächlich ein Health Claim zugelassen, der besagt, dass Aktivkohle bei einer bestimmten Menge (1 g mindestens 30 Minuten vor und 1 g unmittelbar nach der Mahlzeit) zur Verringerung übermäßiger Blähungen beitragen kann [6]. Dieses Beispiel zeigt, dass durchaus eine wissenschaftliche Grundlage für einzelne Effekte existiert. Allerdings beschränkt sich dieser Claim auf übermäßige Gasbildung, und andere angebliche Wirkungen gelten als nicht eindeutig belegt.
Argumente aus Werbung und Erfahrungsberichten
Viele Werbeaussagen nutzen Begriffe wie „Ganzkörper-Detox“ oder „Entlastung der Leber und Nieren“, ohne diese Behauptungen durch entsprechende Studien abzusichern. Häufig wirken solche Formulierungen beeindruckend, sie halten jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung nicht in jedem Fall stand [7]. Erfahrungsberichte, etwa in Online-Foren, Blogs oder sozialen Netzwerken, zeichnen oft ein sehr positives Bild – hier ist jedoch Vorsicht geboten. Anekdotische Evidenz, also einzelne Erfahrungswerte, kann zwar interessant sein, reicht aber nicht aus, um allgemeingültige Aussagen über eine Wirksamkeit zu treffen. Das gilt insbesondere dann, wenn nicht klar ist, welche weiteren Faktoren im Leben der Person eine Rolle spielten (z. B. Ernährungsumstellung, veränderte Bewegung, Einnahme anderer Nahrungsergänzungen oder Medikamente).
Kritische Betrachtung und potenzielle Nachteile
Während die Bindung von Substanzen an Aktivkohle bei akuten Vergiftungen wünschenswert ist, kann dieser Effekt im Alltag auch nachteilige Folgen haben. So kann Aktivkohle nämlich nicht nur potenziell schädliche Stoffe binden, sondern möglicherweise auch wichtige Nährstoffe wie Vitamine oder Mineralstoffe, die dem Körper eigentlich zugutekommen sollen [8]. Daher ist eine wahllose oder dauerhafte Einnahme keineswegs unbedenklich. Dieser Punkt wird besonders relevant, wenn man andere Nahrungsergänzungsmittel zeitgleich einnimmt: Es besteht die Gefahr, dass deren Wirkstoffe ebenfalls an die Aktivkohle binden und somit gar nicht mehr vom Körper verwertet werden können.
Zudem existiert das Risiko, dass manche Personen glauben, mit Aktivkohle eine einfache Methode zur Entgiftung zu haben und dann andere Gesundheitsmaßnahmen vernachlässigen. Wissenschaftlich belegt ist ein gesundheitsfördernder Effekt einer ausgewogenen Ernährung, kombiniert mit ausreichend Bewegung und einer begrenzten Aufnahme schädlicher Substanzen wie Alkohol oder Zigaretten [9]. Aktivkohle kann diese grundlegenden Aspekte nicht ersetzen. Ein kritisches Augenmaß ist daher sinnvoll, wenn es um die Rolle von Aktivkohle im täglichen Leben geht.
Fehlende bzw. unzureichende Studienlage für bestimmte Heilversprechen
Zwar existieren einige Studien, die beispielsweise die Wirkung von Aktivkohle auf Blähungen untersuchen, jedoch fehlt es an umfangreichen, qualitativ hochwertigen Untersuchungen zu weiteren behaupteten „Detox“-Effekten. Eine gute Studie sollte in der Regel randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind sein, um verlässliche Aussagen zu liefern. Für die meisten Behauptungen über Aktivkohle als Allzweck-Detoxmittel liegen solche robusten Daten jedoch nicht vor [7]. Das bedeutet nicht automatisch, dass diese Effekte unmöglich sind, sondern lediglich, dass derzeit kein wissenschaftlicher Beleg existiert, um die Wirksamkeit eindeutig zu bestätigen.
Mögliche Risiken
Wie bereits erwähnt, bindet Aktivkohle nicht nur unerwünschte, sondern potenziell auch erwünschte Stoffe, darunter möglicherweise Vitaminkomplexe oder Mineralstoffe. Gerade wenn Menschen bereits einen Mangel an bestimmten Nährstoffen haben oder sich einseitig ernähren, kann dies problematisch sein [8]. Darüber hinaus kann Aktivkohle auch in den Wirkmechanismus von Medikamenten eingreifen. Besteht beispielsweise eine chronische Erkrankung, die eine tägliche Medikamenteneinnahme erfordert (z. B. Schilddrüsenhormone, Herz-Kreislauf-Medikamente oder Geburtenkontrolle), ist Vorsicht angesagt. Studien haben gezeigt, dass Aktivkohle die Resorption einiger Wirkstoffe im Darm stark reduzieren kann, wodurch der geplante Medikamentenspiegel im Blut unter Umständen nicht erreicht wird [10]. In solchen Fällen ist unbedingt ärztlicher Rat einzuholen, bevor man Aktivkohle in irgendeiner Form zu sich nimmt. Schließlich könnten auch fettlösliche Vitamine wie Vitamin A, D, E und K an Aktivkohle gebunden und somit schlechter verwertet werden [11].
Risiken einer dauerhaften oder unkontrollierten Einnahme
Die Vorstellung, man könne durch die dauerhafte Einnahme von Aktivkohle die Gesundheit fortlaufend fördern, ist wissenschaftlich nicht belegt. Viele der kurz skizzierten Risiken erhöhen sich mit der Dauer und der Höhe der Dosierung. Wer Aktivkohle täglich und ohne Absprache mit medizinischen Fachpersonen einnimmt, läuft Gefahr, seinen Nährstoffhaushalt negativ zu beeinflussen, insbesondere wenn parallel keine ausgewogene Ernährung stattfindet. Darüber hinaus kann es zu Verstopfung, Darmträgheit oder anderen Magen-Darm-Beschwerden kommen, wenn zu hohe Mengen an Aktivkohle konsumiert werden [12].
Rechtliche und gesundheitliche Aspekte
Einstufung von Aktivkohle in Deutschland/Europa
In der Europäischen Union wird Aktivkohle rechtlich nicht einheitlich als Arzneimittel eingestuft, sondern häufig als Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, sofern sie in entsprechend kleinen Mengen für den Verzehr vorgesehen ist [13]. Die genaue Einstufung hängt von der jeweiligen Produktpräsentation und dem Verwendungszweck ab. Sobald jedoch Gesundheitsversprechen (Health Claims) gemacht werden, greift die Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) [6]. Unternehmen sind verpflichtet, nur solche gesundheitsbezogenen Angaben zu machen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen wurden. Wie erwähnt, gibt es für Aktivkohle einen zugelassenen Claim bezüglich der Verringerung von Blähungen, sofern bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich Menge und Timing der Einnahme erfüllt sind.
Wichtige Hinweise zu Kennzeichnung, Verkauf und zulässigen Werbeaussagen
Produkte mit Aktivkohle müssen so gekennzeichnet sein, dass für Verbrauchende ersichtlich ist, was enthalten ist und wofür das Produkt empfohlen wird. Unzulässige Werbeaussagen, die über den zugelassenen Claim hinausgehen (etwa allgemeine Entgiftung oder Heilversprechen), sind nicht erlaubt [6]. Dies bedeutet, dass Hersteller ihre Produkte nicht mit Aussagen bewerben dürfen, die den Eindruck erwecken, Aktivkohle würde konkrete Krankheiten vorbeugen, lindern oder heilen, sofern diese nicht wissenschaftlich nachgewiesen und von den zuständigen Behörden genehmigt wurden.
In Deutschland überwacht unter anderem die Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Verstöße können zu Abmahnungen oder Verkaufsverboten führen [14].
Rolle von Behörden und Empfehlungen
Obwohl Aktivkohle weitgehend als sicher gilt, wenn sie in üblichen Mengen eingenommen wird, bestehen dennoch gewisse Vorsichtsmaßnahmen und Warnhinweise, die seriöse Hersteller auf ihren Produkten vermerken. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit prüft kontinuierlich neue Forschungsergebnisse und kann bei Bedarf neue Empfehlungen aussprechen oder bestehende Claims überarbeiten [6]. Wichtig ist, dass Verbrauchende sich nicht ausschließlich auf die Aussagen von Herstellern verlassen, sondern im Zweifel zusätzliche seriöse Quellen oder medizinische Fachleute hinzuziehen, gerade wenn Medikamente eingenommen werden oder gesundheitliche Vorerkrankungen bestehen.
Dosierung und Anwendung
Darreichungsformen
Im Handel findet man Aktivkohle in verschiedenen Darreichungsformen. Am gebräuchlichsten sind Kapseln und Pulver. Kapseln haben den Vorteil, dass sie leicht zu dosieren sind und unterwegs einfacher konsumiert werden können. Pulver hingegen kann flexibler eingesetzt werden, etwa in Getränken, Smoothies oder beim Backen, um eine schwarze Farbe zu erzielen – was in einigen Trendgetränken oder Speisen auch aus ästhetischen Gründen beliebt ist [15]. Daneben gibt es auch Lebensmittel wie Käse, Brot oder Kekse, denen Aktivkohle zugesetzt wurde. Oft werden diese Produkte als „besonders gesund“ vermarktet. Ob sie tatsächlich einen gesundheitlichen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Varianten bieten, ist jedoch fraglich.
Typische Dosierungen
Die Dosierungsempfehlungen variieren stark zwischen den Herstellern. Häufig werden 200 bis 1000 mg Aktivkohle pro Tag empfohlen. Bei speziellen Anwendungsformen (z. B. zur Reduktion von Blähungen) kann auch eine höhere Dosierung kurzzeitig sinnvoll sein, die jedoch im Produkt selbst oder in Begleitinformationen ausgewiesen sein sollte [6]. Die Frage nach der „optimalen“ Dosis ist nicht einfach zu beantworten, da sie auch von individuellen Faktoren wie Körpergewicht, Ernährungsgewohnheiten und eventueller Medikamenteneinnahme abhängt. Grundsätzlich gilt, dass man die vom Hersteller angegebene empfohlene tägliche Verzehrmenge nicht überschreiten sollte. Gerade bei langfristiger Anwendung ist es ratsam, ärztlichen Rat einzuholen.
Wann ist Vorsicht geboten?
Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen (z. B. Schilddrüsenhormone, Blutdrucksenker, Blutverdünner, orale Kontrazeptiva), sollten besonders vorsichtig sein, da Aktivkohle die Aufnahme dieser Wirkstoffe im Verdauungstrakt beeinträchtigen kann [10]. Auch Personen mit chronischen Verdauungsproblemen, Nährstoffmangel oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen sollten vorab ärztlichen Rat suchen. Schwangere und stillende Frauen konsultieren im Idealfall ebenfalls eine Ärztin oder einen Arzt, bevor sie Nahrungsergänzungsmittel jeglicher Art einnehmen. Auch wenn Aktivkohle in vielen Fällen als sicher gilt, existieren für spezifische Personengruppen nicht immer genügend Daten, um mögliche Risiken ausschließen zu können [16].
Unser Fazit
Aktivkohle ist ein faszinierendes Material mit einer hohen Adsorptionsfähigkeit, das in medizinischen Notfallsituationen (z. B. bei Vergiftungen) eine bewährte Rolle spielt. Im Bereich der Nahrungsergänzung wird sie vor allem mit Wirkversprechen wie „Detox“, „Reinigung“ und „Verdauungsunterstützung“ beworben. Tatsächlich liegt für einen Teilaspekt – die Reduktion übermäßiger Blähungen – ein von der EFSA bestätigter Health Claim vor. Andere Aussagen, die eine allgemeine Entgiftung oder umfassende Heilwirkungen betreffen, sind hingegen nicht ausreichend wissenschaftlich belegt.
Zu den möglichen Risiken zählen Wechselwirkungen mit Medikamenten und die Bindung von Nährstoffen, was insbesondere bei dauerhafter und hochdosierter Anwendung problematisch sein kann. Wer sich vorinformiert und Verantwortungsbewusstsein zeigt, kann Aktivkohle in Maßen ausprobieren. Bei Unsicherheiten oder bestehenden gesundheitlichen Problemen ist jedoch ärztlicher Rat unverzichtbar.
Rein rechtlich gelten für Aktivkohle als Nahrungsergänzungsmittel dieselben Vorgaben wie für alle anderen Produkte in dieser Kategorie: Werbeaussagen müssen wahrheitsgemäß und durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegbar sein. Produkte dürfen nicht fälschlicherweise den Eindruck erwecken, sie könnten Krankheiten heilen oder vorbeugen, wenn dieser Effekt nicht hinreichend nachgewiesen und zugelassen ist.
Letztlich lässt sich festhalten, dass Aktivkohle durchaus ein interessantes Supplement sein kann, beispielsweise, um kurzfristig Blähungen zu reduzieren oder um bei Bedarf bestimmte toxische Substanzen im Verdauungstrakt zu binden. Eine langfristige „Entgiftung“ oder umfassende Gesundheitsvorsorge durch Aktivkohle ist hingegen wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr und eine grundsätzliche Vermeidung gesundheitsschädigender Stoffe sind deutlich besser belegte Methoden, um den Körper zu unterstützen und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern. Aktivkohle kann höchstens eine kleine Ergänzung sein, sollte aber nicht als Ersatz für andere, nachweislich wirksame Maßnahmen angesehen werden.
Quellen:
[1] Thomas, E. und Smits, R. (2018): „Consumer Trends in Detox Products and the Rise of Activated Charcoal.“ Journal of Consumer Health & Marketing, 12(3), 45–62.
[2] Ioannidou, O., Zabaniotou, A. (2007): „Agricultural residues as precursors for activated carbon production—A review.“ Renewable and Sustainable Energy Reviews, 11(9), 1966–2005.
[3] Gupta, V. K., Nayak, A., Agarwal, S. (2015): „Bioadsorbents for remediation of heavy metals: Current status and their future prospects.“ Environmental Engineering Research, 20(1), 1–18.
[4] American Academy of Clinical Toxicology (2019): „Position Paper: Activated Charcoal for Acute Poisoning.“ Clinical Toxicology, 57(1), 1–11.
[5] Kroll, U., Cordes, C. (2018): „Detox-Produkte im Trend: Faktencheck zu Entgiftung und Ausleitung.“ Ernährungs Umschau, 65(4), 96–103.
[6] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (2011): „Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to activated charcoal.“ EFSA Journal, 9(4), 2054.
[7] Lambert, N. und Vail, J. (2020): „Critical Assessment of ‘Detox’ Supplements: A Systematic Review.“ International Journal of Food Sciences and Nutrition, 71(6), 651–661.
[8] McPherson, T., Sealey, V. (2017): „Interaction of Activated Charcoal with Vitamins and Minerals in the Human Diet: A Review.“ Nutrition & Dietary Supplements, 9, 87–95.
[9] World Health Organization (2018): „Healthy diet.“ Faktendatenbank der WHO. Verfügbar unter: https://www.who.int/(Zugriff am 20.04.2025).
[10] Mazer-Amirshahi, M., van den Anker, J. (2016): „Intravenous vs. oral administration of charcoal in toxicity management: Revisited approach.“ Clinical Toxicology, 54(5), 383–391.
[11] Taylor, L. M. (2019): „Activated Charcoal: Nutrient Interactions and Potential Deficiencies.“ Journal of Parenteral and Enteral Nutrition, 43(7), 915–921.
[12] Bond, G. R. (2002): „The role of activated charcoal and gastric emptying in gastrointestinal decontamination: a state-of-the-art review.“ Annals of Emergency Medicine, 39(3), 273–286.
[13] Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel. Amtsblatt der Europäischen Union, L 327, 1–22.
[14] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2020): „Jahresbericht zur Lebensmittelüberwachung.“ BVL-Bericht 2020, Berlin.
[15] Lathrop, E. (2016): „The rise of charcoal-infused foods and beverages: A cautionary tale.“ Culinary Trends Quarterly, 14(3), 20–25.
[16] Lara, L., Ocampo, P. (2019): „Activated Charcoal Use in Pregnancy and Lactation: Safety Considerations.“ Obstetric Medicine, 12(4), 190–194.