GABA: Wirkungen, Studienlage & Sicherheit

Die Substanz GABA (Gamma-Aminobuttersäure) gewinnt als Nahrungsergänzungsmittel stetig an Popularität. Unternehmen bewerben GABA in vielfältigen Formulierungen, die von Kapseln über Pulver bis hin zu angereicherten Lebensmitteln reichen. Obwohl GABA in der wissenschaftlichen Literatur vor allem als wichtigster hemmender Neurotransmitter im zentralen Nervensystem diskutiert wird, ist sein Einsatz als Nahrungsergänzungsmittel erst in den letzten Jahren in den Fokus von Forschung und Vermarktung gerückt. Dieser Text beleuchtet GABA umfassend und kritisch: von seiner physiologischen Rolle und dem Stoffwechsel über Herstellung und rechtliche Aspekte bis hin zur aktuellen Studienlage zu Wirksamkeit und Risiken. 

Was ist GABA?

Physiologische Rolle

Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist eine nicht-proteinogene Aminosäure, die in erster Linie als inhibitorischer Neurotransmitter im zentralen Nervensystem (ZNS) von Wirbeltieren fungiert [1]. Diese inhibitorische Funktion bedeutet, dass GABA die Erregbarkeit von Nervenzellen verringert. Mit anderen Worten: GABA sorgt dafür, dass Neuronen weniger schnell und weniger häufig feuern, wodurch es zu einer Dämpfung neuronaler Aktivität kommt. Dieser hemmende Effekt ist entscheidend für die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts im Nervensystem. Wenn das System zu stark erregt ist, kann es zu Angstzuständen, Krämpfen oder Schlafstörungen kommen. Umgekehrt darf der hemmende Effekt auch nicht überhandnehmen, da sonst wichtige Gehirnfunktionen eingeschränkt werden könnten.

GABA wirkt im Wesentlichen im ZNS, inklusive Gehirn und Rückenmark. In anderen Geweben oder in anderen Organismen kann GABA ebenfalls vorkommen, dort aber oftmals mit anderen Aufgaben. Bei Pflanzen ist GABA beispielsweise an Stressreaktionen beteiligt. In Nahrungsergänzungsmitteln wird GABA jedoch in erster Linie genutzt, um eine mögliche beruhigende oder entspannende Wirkung zu erzielen. Diese potenziellen Effekte beruhen auf der Vermutung, dass oral zugeführtes GABA zumindest in gewissen Maßen ins ZNS gelangt und dort seine hemmende Wirkung entfalten kann [2].

Endogene Synthese & Stoffwechsel

Im menschlichen Körper entsteht GABA überwiegend durch die Decarboxylierung der Aminosäure Glutamat. Dieses wird mithilfe des Enzyms Glutamat-Decarboxylase (GAD) in GABA umgewandelt [3]. Glutamat selbst ist ein excitatorischer Neurotransmitter und damit ein funktionaler Gegenspieler von GABA. Das optimale Verhältnis zwischen Glutamat und GABA ist für die neuronale Balance von großer Bedeutung.

GABA wird im Körper weiter über die GABA-Transaminase abgebaut. Bei diesem Abbauprozess entsteht unter anderem Succinylsemialdehyd, das in weiteren Schritten in Succinatsäure umgewandelt werden kann, die schließlich in den Citratzyklus (Zitronensäurezyklus) einfließt. Dieser Abbau ist essenziell, um GABA nicht im Überschuss anzusammeln. Störungen in der GABA-Transaminase können daher zu einem Ungleichgewicht führen, das mit verschiedenen neurologischen Störungen assoziiert wird [4].

Rezeptortypen

GABA übt seine hemmende Wirkung über verschiedene Rezeptoren aus, von denen GABAAA​ und GABABB​ die wichtigsten sind. Daneben existiert noch GABACC​, der vor allem in der Retina eine Rolle spielt [5].

  • GABAAA​-Rezeptor: Er ist ein ligandengesteuerter Ionenkanal. Wenn GABA an diesen Rezeptor bindet, strömen negativ geladene Chloridionen in die Zelle ein, was die Zelle hyperpolarisiert und somit die Weiterleitung von Aktionspotenzialen erschwert. Viele bekannte Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine oder Barbiturate wirken direkt oder indirekt auf diesen Rezeptor.
  • GABABB​-Rezeptor: Dieser Rezeptor gehört zur Familie der metabotropen Rezeptoren (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren). Seine Aktivierung führt über intrazelluläre Signalwege zu einer verringerten Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter und erhöht die Leitfähigkeit für Kaliumionen, was die Neuronenaktivität dämpft.
  • GABACC​-Rezeptor: Ein besonderer Ionenkanal-Rezeptor, der in der menschlichen Netzhaut (Retina) eine Rolle spielt. Er zeigt ähnlich wie GABAAA​ bei Aktivierung eine Erhöhung des Chlorideinstroms, unterscheidet sich jedoch in seiner Pharmakologie und Molekularstruktur.

Diese Rezeptorvielfalt ist ein Beleg dafür, wie essentiell GABA für die Regulation der Erregbarkeit von Nervenzellen ist. Die rezeptorspezifischen Wirkmechanismen sind auch von Bedeutung für die Pharmakologie und das Targeting von GABA in Therapie und (potenziell) Nahrungsergänzung.

GABA als Nahrungsergänzungsmittel

Herstellung & Formulierungen

Die Herstellung von GABA für Nahrungsergänzungsmittel erfolgt auf verschiedene Weisen:

  1. Biotechnologische Fermentation: Hierbei werden Mikroorganismen eingesetzt, beispielsweise bestimmte Lactobacillus-Stämme (z. B. Lactobacillus hilgardii), die GABA auf natürliche Weise produzieren [6]. Das Endprodukt wird gereinigt, sodass man ein Pulver oder Granulat mit einem bestimmten GABA-Gehalt erhält.
  2. Synthetische Produktion: Dabei wird GABA chemisch aus Vorläufermolekülen (etwa durch chemische Decarboxylierung von Glutamat) gewonnen.

Die Qualität des resultierenden Produkts kann variieren, je nachdem, welche Methode angewendet wird und welche Reinheits- und Qualitätskontrollen stattfinden. Man unterscheidet häufig zwischen „Pharma Grade“ und „Food Grade“.

  • Pharma Grade bedeutet, dass die Herstellung strenge Kriterien erfüllt, die insbesondere im pharmazeutischen Bereich üblich sind (z. B. GMP-Standards).
  • Food Grade erfüllt in der Regel nur Lebensmittelstandards, die etwas weniger streng sein können, was z. B. den Reinheitsgrad oder mögliche Rückstände betrifft.

Beide Varianten finden im Markt für Nahrungsergänzungsmittel Einsatz, wobei „Pharma Grade“ oft teurer, aber potenziell reiner sein kann.

Rechtlicher Status & Health Claims

Innerhalb der Europäischen Union (EU) unterliegen Nahrungsergänzungsmittel den Vorgaben der EFSA (European Food Safety Authority). GABA selbst ist dabei noch nicht als traditionelles Lebensmittel bekannt; es gibt jedoch Produkte, die GABA enthalten und unter das Novel-Food-Regulierungssystem fallen können, sofern sie als neuartige Lebensmittelzutat eingestuft werden [7].

Die Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) regelt genau, welche gesundheitsbezogenen Aussagen auf Verpackungen oder in der Werbung gemacht werden dürfen. Aktuell sind für GABA keine spezifischen Claims von der EFSA zugelassen, die eine gesicherte gesundheitsförderliche Wirkung bestätigen würden. Manche Hersteller umgehen dies, indem sie GABA nicht als gesundheitsfördernden Stoff deklarieren, sondern nur allgemeine Aussagen treffen (z. B. „Tragen Sie zu Ihrem Wohlbefinden bei“), die nicht unter die verbindlichen Health Claims fallen.

Im Gegensatz dazu gelten in den USA und Japan andere Regularien. Besonders in Japan findet GABA verbreitet Verwendung in sogenannten „Functional Foods“, etwa in GABA-angereichertem Tee oder Schokolade. Dort existieren teils Studien und Marketingkampagnen, die GABA als beruhigendes oder stressreduzierendes Mittel bewerben [8].

Verbreitete Dosierungen & Darreichungsformen

Im Markt finden sich GABA-Nahrungsergänzungsmittel in Kapsel- oder Pulverform, oft in Dosierungen zwischen 100 mg und 750 mg pro Portion. Es gibt auch Produkte, die GABA mit anderen Inhaltsstoffen kombinieren, beispielsweise L-Theanin (gewonnen aus Grüntee) oder Melatonin (als Schlafregulator). Derartige Kombinationspräparate zielen in der Regel auf die Schlafqualität und Stressreduktion ab.

GABA wird außerdem in einigen „Functional Foods“ eingesetzt, zum Beispiel in mit GABA angereicherten Getränken. Dabei werden häufig geringere Dosierungen eingesetzt, die pro Portion meist unter 100 mg GABA liegen. In der Europäischen Union sind solche Produkte nicht immer leicht erhältlich, während sie in Japan recht verbreitet sind.

Die konkrete Dosierungsempfehlung ist oft vom Hersteller abhängig und richtet sich nach dem angestrebten Zweck. Eine allgemein anerkannte, wissenschaftlich fundierte Dosisempfehlung existiert bisher nicht. Hinweise zur sicheren Höchstdosis fehlen ebenfalls, was Verbraucher:innen verunsichern kann.

Bioverfügbarkeit & Pharmakokinetik

Orale Aufnahme

Nach oraler Gabe gelangt GABA zunächst in den Gastrointestinaltrakt. Dort wird es über spezielle Aminosäuretransporter mehr oder weniger effizient resorbiert. In welchem Ausmaß dies tatsächlich geschieht, ist nicht umfassend geklärt. Einige Studien deuten an, dass GABA im Darm aufgenommen wird, jedoch können First-Pass-Effekte in der Leber die systemische Verfügbarkeit senken, bevor die Substanz in die Blutbahn gelangt [9].

Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass GABA eine relativ einfache Struktur hat, jedoch auch spezifische Transportermechanismen im Körper wirken, die die Aufnahme reduzieren können, wenn die Substanz in Konkurrenz mit anderen Aminosäuren steht. Faktisch ist die systemische Verfügbarkeit daher abhängig von der individuellen Ernährungssituation und dem Status relevanter Cofaktoren.

Blut-Hirn-Schranke

Die wohl umstrittenste Frage bei GABA als Nahrungsergänzung ist, ob exogenes GABA überhaupt relevante Konzentrationen im ZNS erreichen kann. Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) ist für viele Substanzen nur eingeschränkt durchlässig, insbesondere für polare Moleküle wie GABA. Frühe Studien aus den 1960er- und 1970er-Jahren kamen oft zu dem Schluss, dass GABA die BHS kaum passieren kann [10]. Neuere Untersuchungen sprechen allerdings dafür, dass kleine Mengen möglicherweise doch ins Gehirn gelangen, insbesondere wenn die Blut-Hirn-Schranke durch Stress oder andere Faktoren leicht durchlässiger wird [11].

Die Frage, ob diese mengenmäßig geringe Passage ausreicht, um physiologisch oder pharmakologisch relevante Wirkungen auszulösen, ist noch nicht abschließend beantwortet. Teilweise wird vermutet, dass GABA indirekt über periphere Mechanismen wirken könnte, z. B. über das enterische Nervensystem und vagale Bahnen, wodurch es zu einer Veränderung bestimmter hormoneller Signalkaskaden kommen könnte [12]. Unabhängig davon ist klar, dass GABA bei gesunder, intakter Blut-Hirn-Schranke nur begrenzt ins Gehirn gelangt.

Alternativen

Da die Durchlässigkeit von GABA selbst durch die Blut-Hirn-Schranke begrenzt ist, gibt es sogenannte GABA-Prodrugs, die im Körper zu GABA umgewandelt werden und besser absorbierbar bzw. über die BHS transportierbar sind. Ein bekanntes Beispiel ist Pregabalin, ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung von Epilepsie und neuropathischen Schmerzen [13].

Im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel hingegen wird teilweise empfohlen, die endogene GABA-Synthese zu unterstützen. Wichtig ist hier Vitamin B6 (Pyridoxin), das als Coenzym für die Glutamat-Decarboxylase fungiert. Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B6 ist daher notwendig, um den körpereigenen GABA-Spiegel im physiologischen Bereich zu halten [14]. Es existieren auch Nahrungsergänzungen, die B6 mit Glutamat oder anderen Bausteinen kombinieren, um die Bildung von GABA zu fördern. Der tatsächliche Nutzen dieser Strategien ist allerdings nicht unumstritten, da der Körper den Glutamat-GABA-Haushalt strikt reguliert.

Evidenzlage zu Wirksamkeit

Stress & Angst

Zahlreiche Hersteller bewerben GABA als Mittel, um Stressreaktionen abzuschwächen und Angstzustände zu mindern. Tatsächlich liegen einige Humanstudien vor, die nahelegen, dass die Einnahme von GABA in akuten Stresssituationen bestimmte physiologische Parameter (z. B. Gehirnwellen in EEG-Messungen) positiv beeinflussen könnte [15]. So gibt es Studien, in denen Proband:innen nach akuter GABA-Gabe erhöhte Alpha-Gehirnwellen und reduzierte Beta-Wellenzeigten, was auf einen entspannten Zustand hindeuten könnte [16].

Allerdings sind viele dieser Studien von kleiner Stichprobengröße und oft von Herstellern oder Interessengruppen gesponsert. Objektive Stressmarker wie Kortisol wurden teils gemessen, allerdings sind die Ergebnisse teils widersprüchlich. Subjektive Skalen zur Erfassung von Angst und Anspannung (z. B. State-Trait Anxiety Inventory) zeigten in manchen Untersuchungen eine kleine, aber signifikante Verbesserung. Ein Kausalschluss ist jedoch schwierig, da Studien unter Placebo-Kontroll-Bedingungen selten in großer Zahl durchgeführt wurden.

Schlafqualität

Die Anwendung von GABA als „natürliches Schlafmittel“ ist ebenfalls weit verbreitet. Mehrere kleinere, placebokontrollierte Studien haben Verbesserungen der selbstberichteten Schlafqualität dokumentiert [17]. Einige Untersuchungen setzten polysomnographische Messungen ein, um die Einschlaflatenz oder die Schlafdauer zu überprüfen. Teilweise fanden sich minimale Verbesserungen, etwa ein geringfügig schnelleres Einschlafen oder eine Erhöhung des Anteils an Tiefschlafphasen.

Es bleibt jedoch unklar, ob diese Effekte rein psychophysiologischer Natur sind, möglicherweise vermittelt durch eine Placebo-Wirkung oder durch eine geringfügige Passage von GABA ins Gehirn. In einigen Studien, in denen GABA zusammen mit L-Theanin oder Melatonin verabreicht wurde, ist es zudem schwer zu beurteilen, welcher Bestandteil letztlich für die Veränderungen verantwortlich war.

Leistungs- & Fokussteigerung

Ein weiterer beworbener Aspekt ist die mögliche Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Fokus. Die Idee stammt aus der Hypothese, dass ein verbesserter Schlaf und eine stabilere Stressregulation zu höherer geistiger Leistungsfähigkeit führen könnten. Teilweise wird auch eine Steigerung des Wachstumshormonspiegels (Growth Hormone, GH) als Grund angeführt, was wiederum die Regeneration begünstigen soll [18].

Allerdings ist diese Annahme wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. In einigen älteren Untersuchungen an Sportler:innen, bei denen GABA oder Glutamat-Derivate verabreicht wurden, ließen sich zwar erhöhte GH-Spiegel nachweisen, aber es ist unklar, ob dies auf exogenes GABA oder andere Faktoren zurückzuführen war. Zudem bedeutet ein kurzzeitiger Anstieg von Wachstumshormon nicht zwangsläufig einen direkten Effekt auf Muskelaufbau oder Leistung. Insgesamt ist die Datenlage hier sehr dünn und kann derzeit keine fundierte Aussage liefern.

Kritische Bewertung der Studienqualität

Ein Grundproblem bei der GABA-Forschung ist die oft geringe Stichprobengröße der Studien. Gerade im Bereich Nahrungsergänzung werden häufig Pilotstudien mit unter 50 Teilnehmer:innen durchgeführt, was statistische Aussagen erschwert. Hinzu kommen Interessenkonflikte, wenn etwa ein Hersteller die Studie finanziert. Publikationsbias kann dazu führen, dass vornehmlich positive Ergebnisse veröffentlicht werden, während Studien mit negativen Ergebnissen unpubliziert bleiben [19].

Methodisch würden doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studien mit aussagekräftiger Teilnehmerzahl benötigt, um klare Schlüsse ziehen zu können. Darüber hinaus wären objektive Marker wie Polysomnographie oder Hormonmessungen (z. B. Kortisol) wichtig, um subjektive Effekte von objektiven physiologischen Veränderungen abzugrenzen. Da viele aktuell verfügbare Studien diese Kriterien nicht erfüllen, ist die Datenbasis zur Wirksamkeit noch als unzureichend zu bezeichnen.

Sicherheit & Risiken

Akute unerwünschte Wirkungen

GABA gilt im Allgemeinen als relativ sicher, da es sich um eine körpereigene Substanz handelt. Dennoch existieren Berichte über SedierungParästhesien (Kribbelgefühl) oder einen leichten Blutdruckabfall nach Einnahme höherer Dosen [20]. Diese Effekte könnten mit einer verstärkten Wirkung auf periphere GABA-Rezeptoren zusammenhängen oder durch Veränderungen in der Gefäßmuskulatur.

In Einzelfällen traten auch Kopfschmerzen oder gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfall auf. Ob diese Effekte direkt von GABA herrühren oder von anderen Inhaltsstoffen im Supplement (z. B. Füllstoffe, Zusatzstoffe) ist nicht immer zweifelsfrei geklärt.

Langzeitdaten

Robuste Langzeitdaten zur GABA-Einnahme fehlen weitgehend. Die meisten Studien konzentrieren sich auf Kurzzeitbeobachtungen zwischen einigen Tagen bis wenigen Wochen. Tierexperimente deuten zwar darauf hin, dass exogen zugeführtes GABA bei chronischer Verabreichung nicht zwangsläufig neurotoxisch ist, allerdings sind solche Tiermodelle nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar [21].

Ohne umfassende Langzeitstudien bleibt es spekulativ, ob eine dauerhafte tägliche Ergänzung mit GABA sicher ist. Der menschliche Körper könnte theoretisch Anpassungsmechanismen entwickeln, etwa indem er die Expression bestimmter GABA-Rezeptoren herunterfährt (Rezeptordesensibilisierung). Ob dies in der Praxis geschieht, ist nicht bekannt.

Wechselwirkungen

Da GABA eine zentral dämpfende Wirkung haben kann, ist besondere Vorsicht geboten, wenn gleichzeitig andere ZNS-dämpfende Arzneimittel eingenommen werden. Hierzu zählen beispielsweise Benzodiazepine (z. B. Diazepam, Lorazepam), Barbiturate, bestimmte Antikonvulsiva sowie Alkohol. Eine mögliche additive oder synergistische Wirkung könnte die Sedierung verstärken, was Risiken mit sich bringt (z. B. verringerte Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr).

Menschen, die solche Medikamente einnehmen oder regelmäßig Alkohol konsumieren, sollten daher Vorsicht walten lassen und im Zweifel ärztlichen Rat einholen, bevor sie GABA als Nahrungsergänzungsmittel verwenden [22].

Besondere Personengruppen

  • Schwangere und Stillende: Mangels Daten liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor, ob GABA in der Schwangerschaft oder Stillzeit sicher ist. Daher wird meist empfohlen, auf eine Einnahme während dieser Zeiträume zu verzichten, es sei denn, eine ärztliche Abklärung fand statt.
  • Kinder: Auch für Kinder gibt es keine gesicherten Daten. Zwar wird GABA im Rahmen mancher Supplement-Programme diskutiert, doch existieren keine hinreichenden Studien, die Sicherheit und Effektivität belegen.
  • Personen mit Epilepsie: Da GABA eine Rolle bei der Anfallsmodulation spielt, sollten Personen mit Epilepsie ärztlichen Rat einholen, bevor sie GABA supplementieren.
  • Lebererkrankungen: Die Leber ist in den First-Pass-Metabolismus involviert. Bei vorliegenden Leberfunktionsstörungen kann der Abbau von exogen zugeführtem GABA beeinträchtigt sein.

Regulatorische & Qualitätsaspekte

Im Nahrungsergänzungsmittelmarkt ist die Produktqualität nicht immer einheitlich gewährleistet. Hersteller können sich freiwillig zur Einhaltung von GMP-Standards (Good Manufacturing Practice) verpflichten, was jedoch keine flächendeckende Pflicht ist.

Mögliche Risiken:

  • Schwermetallrückstände: Bei nicht sorgfältiger Herstellung oder bei der Fermentation in unzureichend kontrollierten Umgebungen könnten Schwermetalle oder andere Verunreinigungen ins Endprodukt gelangen.
  • Lösungsmittelrückstände: Dies betrifft vor allem synthetische Herstellungsverfahren, bei denen bestimmte Lösungsmittel zum Einsatz kommen können.
  • Label Accuracy: Untersuchungen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass bei manchen Nahrungsergänzungsmitteln die auf dem Etikett angegebenen Mengen von den tatsächlich enthaltenen Mengen abweichen können [23]. Bei GABA kann dies bedeuten, dass entweder weniger oder mehr Wirkstoff enthalten ist als deklariert.

Verbraucher:innen wird empfohlen, auf Produkte zu setzen, die Laboranalysen und Chargenberichte vorweisen können. Seriöse Anbieter lassen ihre Produkte regelmäßig testen und veröffentlichen die Ergebnisse auf ihrer Website. Auch zertifizierte Labors (z. B. ISO- oder DIN-akkreditiert) können Sicherheit über Gehalt und Reinheit des Produkts geben.

Markt & Marketing

Der globale Markt für GABA-Supplements wird auf mehrere Hundert Millionen US-Dollar geschätzt, wobei Wachstumsraten von über 7 % pro Jahr prognostiziert werden [24]. Hauptabsatzregionen sind Nordamerika und Asien (insbesondere Japan), während Europa etwas zurückliegt, was unter anderem an strengeren Regulierungen liegen könnte.

Häufige Werbeaussagen lauten:

  • „Natürliches Beruhigungsmittel“
  • „Hilft beim Einschlafen“
  • „Stressabbau und Entspannung“
  • „Fördert die Erholung nach dem Sport“

Viele dieser Aussagen bewegen sich in einer Grauzone, da sie potenziell gesundheitsbezogene Claims darstellen, die in der EU einer Zulassung bedürfen. Die Health Claims Verordnung verlangt für jede gesundheitsbezogene Aussage eine wissenschaftliche Absicherung, die von der EFSA genehmigt wurde. Da es derzeit keinen offiziell zugelassenen Health Claim für GABA gibt, müssen Hersteller ihre Produktkommunikation vorsichtig formulieren.

Kritische Gesamtabwägung

Vor dem Hintergrund der bisherigen Abschnitte lässt sich festhalten, dass GABA physiologisch eine enorm wichtige Rolle spielt, oral zugeführtes GABA jedoch aus mehreren Gründen kontrovers diskutiert wird.

  • Nutzen-Risiko-Profil: Während einige Studien akute Effekte auf Stressindikatoren oder den Schlaf andeuten, ist die Studienlage nicht robust genug, um verlässliche Aussagen über längerfristige Wirkungen zu treffen. Auch die Frage der Blut-Hirn-Schranken-Passage ist nicht hinreichend geklärt.
  • Vergleich mit nicht-pharmakologischen Maßnahmen: Um Stress zu reduzieren oder den Schlaf zu verbessern, existieren etablierte Methoden wie Entspannungstechniken, kognitive Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen (CBT-I) oder eine Optimierung der Schlafhygiene. Diese Ansätze sind in ihrer Wirksamkeit besser belegt und weisen in der Regel weniger Unsicherheiten auf.
  • Placebo-Effekt: Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist es durchaus möglich, dass ein Teil der positiven Wirkung auf dem Placebo-Effekt beruht. Gerade bei subjektiven Parametern wie Schlafqualität oder Stresslevel kann die Erwartungshaltung eine große Rolle spielen.
  • Forschungsbedarf: Es fehlen große, unabhängige, multizentrische RCTs (Randomized Controlled Trials), die objektive Parameter messen (z. B. Polysomnographie, Hormonspiegel) und die Wirksamkeit von GABA valide nachweisen. Bis diese Daten vorliegen, bleibt die Aussagekraft der bisher verfügbaren Studien begrenzt.

Aus Sicht der Gesundheitsbehörden und wissenschaftlicher Gremien ist GABA daher kein zweifelsfrei belegtes Mittel zur Behandlung von Stress, Angst oder Schlafstörungen. Dennoch kann es für manche Personen einen (subjektiv empfundenen) Nutzen bringen – vorausgesetzt, man achtet auf Qualität und mögliche Gegenanzeigen.

Empfehlungen für Konsument:innen

  1. Ziele definieren: Überlege, warum du GABA einnehmen möchtest. Geht es um Stressreduktion, Schlafverbesserung oder etwas anderes? Prüfe, ob es alternativ bereits andere Strategien gibt, die du ausprobieren kannst (z. B. Entspannungstechniken, Schlafhygiene).
  2. Arzt/Ärztin konsultieren: Gerade wenn du unter chronischem Stress, Angststörungen oder Schlafproblemen leidest, ist es sinnvoll, vor der Einnahme von GABA eine medizinische Beratung einzuholen. Dies gilt insbesondere, wenn bereits Medikamente verwendet werden, die das ZNS beeinflussen.
  3. Produktauswahl: Achte auf Hersteller, die ihre Produkte zertifizieren lassen und Laborberichte vorweisen. Suche nach eindeutigen Angaben zum GABA-Gehalt pro Portion sowie möglichen Zusatzstoffen.
  4. Dosierung & Einnahmehinweise: Die Studien, die es gibt, verwendeten Dosierungen zwischen etwa 100 mg und 750 mg pro Tag. Einige Anwender:innen berichten, dass sie niedrige Dosen (100–200 mg) bereits als ausreichend empfinden. Es existiert jedoch keine allgemein anerkannte Empfehlung. Beginne eher niedriger und beobachte, wie du das Produkt verträgst.
  5. Monitoring: Führe idealerweise ein Tagebuch zu deinem Schlaf, deiner Stresswahrnehmung oder anderen relevanten Parametern (z. B. Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden). So lässt sich über ein bis zwei Wochen beobachten, ob eine Veränderung eintritt.
  6. Vorsicht bei Wechselwirkungen: Solltest du Medikamente einnehmen, die sedierend wirken oder den GABA-Spiegel beeinflussen (z. B. Benzodiazepine), spreche unbedingt vorab mit deinem Arzt bzw. deiner Ärztin.

Unser Fazit

GABA ist als körpereigener Neurotransmitter unverzichtbar für eine gesunde Regulation der Erregungs- und Hemmvorgänge im zentralen Nervensystem. Als Nahrungsergänzungsmittel ist die Substanz jedoch umstritten, da ihre Bioverfügbarkeit und die Effekte im menschlichen Organismus bei oraler Einnahme nicht klar belegt sind. Mehrere kleinere Studien deuten zwar auf potenzielle positive Effekte hinsichtlich Entspannung und Schlafverbesserung hin, jedoch sind diese Hinweise nicht ausreichend, um eine allgemeine Empfehlung auszusprechen oder konkrete Health Claims zu rechtfertigen.

Sicherheitsbedenken gibt es vor allem in Bezug auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen sedierenden Substanzen sowie hinsichtlich fehlender Langzeitdaten. Wer GABA in Betracht zieht, sollte die Qualitätsaspekte im Auge behalten, sich über seriöse Hersteller informieren und nach Möglichkeit ärztlichen Rat einholen, um individuelle Risiken abzuklären.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass GABA unter bestimmten Voraussetzungen ein potenzielles Hilfsmittel sein könnte – allerdings mit einer begrenzten Evidenz und offenen Sicherheitsfragen. Die Wahl einer verantwortungsvollen Dosis und die Beachtung persönlicher Umstände sind hier von zentraler Bedeutung.

Literatur- & Quellenverzeichnis

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Yannik
Yannik

Hey, mein Name ist Yannik. Ich bin der Co-Chefredakteur von nahrung.de und befasse mich bereits seit geraumer Zeit mit den Themen Ernährung sowie Nahrungsergänzung. Eine objektive und aufklärende Berichterstattung ist mir besonders wichtig!

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