Lactoferrin ist eine glykoproteinhaltige Verbindung, die vor allem in der Milch von Säugetieren vorkommt und von Natur aus eine wichtige Rolle bei verschiedenen biologischen Prozessen spielt [1]. Insbesondere in der Humanmilch ist der Anteil an Lactoferrin im Vergleich zur Kuhmilch deutlich höher, was zu intensivierten Forschungsbemühungen geführt hat. Immer häufiger findet man Lactoferrin auch in unterschiedlichen Formen auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel. Der Grund dafür liegt in den potenziellen Eigenschaften, die Lactoferrin zugeschrieben werden, insbesondere im Hinblick auf Eisenstoffwechsel, Immunfunktion, Darmgesundheit und darüber hinausgehende Gebiete.
Gleichzeitig ist die öffentliche Diskussion darüber sehr kontrovers: Befürworter verweisen auf die Studienlage zu den vielfältigen Wirkmechanismen von Lactoferrin, während Kritiker unterstreichen, dass viele der Ergebnisse aus Labor- oder Tierexperimenten stammen und in ihrer Übertragbarkeit auf den Menschen noch nicht hinreichend geklärt sind [2]. Die Vermarktung als Nahrungsergänzungsmittel wirft zudem verschiedene regulatorische und ethische Fragen auf, etwa hinsichtlich der Gewinnung, Herstellung und Kennzeichnung.
Was ist Lactoferrin?
Herkunft und Biochemie
Lactoferrin zählt biochemisch gesehen zu den Transferrinen, einer Gruppe von Proteinen, die Eisen im Körper binden und transportieren können [3]. Entdeckt wurde Lactoferrin in den 1930er-Jahren in Kuhmilch, später identifizierten Forschende dieses Protein auch in humaner Muttermilch. Insbesondere Kolostrum (die Erstmilch nach der Geburt) besitzt einen hohen Lactoferrin-Gehalt. Da Lactoferrin in der Lage ist, zweiwertiges Eisen zu binden, kann es das Eisen im Organismus vor unkontrollierter Oxidation schützen und es dorthin transportieren, wo es benötigt wird.
In der Kuhmilch liegt der Lactoferringehalt mit circa 0,2 bis 0,3 mg/ml vergleichsweise niedrig, während menschliche Muttermilch laut Studien etwa 1 bis 3 mg/ml enthalten kann [4]. Gerade aus der Beobachtung, dass menschliche Milch deutlich höhere Konzentrationen aufweist, entstand das Interesse zu untersuchen, welche möglichen Vorzüge sich bei einer Supplementierung ergeben könnten.
Auf biochemischer Ebene weist Lactoferrin eine Molekülmasse von rund 80 kDa auf und kann in verschiedenen Isoformen vorkommen. Diese Isoformen unterscheiden sich unter anderem in ihrer Glykosylierung und können in unterschiedlichen Geweben, wie beispielsweise Speichel, Tränenflüssigkeit oder auch spezifischen Immunzellen (Neutrophilen), gefunden werden [3].
Rolle im Körper
Die natürliche Funktion von Lactoferrin im menschlichen Organismus wird vor allem in Zusammenhang mit der Regulation des Eisenstoffwechsels diskutiert. Ferner spielt Lactoferrin nach aktuellem Wissensstand eine Rolle in verschiedenen Abwehrmechanismen, da es dank seiner Eisenbindungsfähigkeit das Wachstum bestimmter Bakterien hemmen kann. Einige Mikroorganismen benötigen freies Eisen, um sich zu vermehren. Entzieht man ihnen diese Ressource, wird ihr Wachstum erschwert [3].
Darüber hinaus wird Lactoferrin auch in Verbindung mit entzündungsregulierenden Prozessen gebracht. Es gibt Hinweise darauf, dass Lactoferrin bestimmte Immunzellen modulieren könnte, wenngleich die Mechanismen noch nicht vollständig geklärt sind. Einige Studien deuten außerdem auf eine mögliche Funktion für die Darmgesundheit hin, da Lactoferrin in den Darmzellen an bestimmte Rezeptoren binden kann [5].
Wirkmechanismen und mögliche Vorteile
Eisenbindende Funktion
Der bekannteste Wirkmechanismus von Lactoferrin ist seine Fähigkeit, Eisen zu binden. Eisen ist für den menschlichen Körper unverzichtbar, vor allem für den Sauerstofftransport in den roten Blutkörperchen. Gleichzeitig kann ein Übermaß an freiem Eisen schädliche oxidative Prozesse anstoßen. Lactoferrin trägt potenziell dazu bei, das Gleichgewicht zu wahren, indem es Eisen bindet und so sowohl überschüssige Oxidation als auch Eisenmangelerscheinungen mildern könnte [6].
Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass Lactoferrin zwar Eisen bindet, jedoch der Faktor Bioverfügbarkeit von Eisen bei exogener (von außen zugeführter) Lactoferrin-Zufuhr nicht automatisch gewährleistet ist. Studien zeigen, dass oral aufgenommenes Lactoferrin teils rasch im Magen-Darm-Trakt abgebaut wird, wodurch seine Wirksamkeit beeinträchtigt sein kann [7]. Zudem ist hinsichtlich der Effekte auf den Eisenhaushalt ein sorgfältiges Monitoring ratsam, da eine ungeplante, übermäßige Eisenzufuhr ebenfalls unerwünschte Wirkungen haben kann.
Auswirkungen auf das Immunsystem
Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass Lactoferrin immunmodulatorische Eigenschaften besitzen könnte. Dies bedeutet, dass bestimmte Immunzellen (z. B. Lymphozyten und Makrophagen) in ihrer Aktivität beeinflusst werden können. In einigen In-vitro- und Tierstudien wurde eine Hemmung proinflammatorischer Zytokine beobachtet, während gleichzeitig entzündungshemmende Botenstoffe gefördert wurden [8].
Für den Menschen sind die Daten hingegen noch nicht umfassend genug, um konkrete gesundheitliche Aussagen zu treffen, die über generelle Immunprozesse hinausgehen. Dennoch existieren erste Studien, in denen eine regelmäßige Lactoferrin-Gabe mit einer leicht reduzierten Infektionsrate in bestimmten Populationen (z. B. ältere Menschen oder Hochleistungssportler) assoziiert sein könnte [9]. Eine eindeutige Kausalität ist bislang jedoch nicht zweifelsfrei belegt, da viele weitere Faktoren – wie etwa die allgemeine Ernährung, Lebensstil und spezifische gesundheitliche Vorerkrankungen – ebenfalls eine Rolle spielen.
Darmgesundheit
Ein weiterer Aspekt, der Lactoferrin aktuell ins Gespräch bringt, betrifft die Darmgesundheit. Lactoferrin könnte prinzipiell über verschiedene Mechanismen auf das Darmmikrobiom einwirken, unter anderem durch die Hemmung pathogener Bakterien und die Förderung bestimmter symbiotischer Bakterienstämme. Dieser Effekt wird hauptsächlich dadurch erklärt, dass krankheitsfördernde Bakterien für ihre Vermehrung auf freies Eisen angewiesen sind und Lactoferrin eben dieses Eisen bindet [10].
Darüber hinaus finden sich Hinweise, dass Lactoferrin in der Darmschleimhaut an Rezeptoren binden kann, die für Zellproliferation, Differenzierung und möglicherweise auch für Entzündungsprozesse relevant sind [11]. In Tiermodellen wurde beispielsweise beobachtet, dass Lactoferrin präventiv gegen bestimmte Darmerkrankungen wirken könnte. Ob sich solche Effekte jedoch in gleichem Ausmaß auf den Menschen übertragen lassen, ist nach aktuellem Stand unklar.
Hautgesundheit
Bei der topischen Anwendung, etwa in Cremes oder Salben, wird Lactoferrin gelegentlich als Wirkstoff bei Hautirritationen eingesetzt. Die Fähigkeit, Eisen zu binden und somit das Wachstum bestimmter Bakterien zu hemmen, wird hier besonders hervorgehoben, da Bakterieninfektionen an der Haut oftmals mit Entzündungsprozessen einhergehen [12]. Zudem deuten erste Studien darauf hin, dass Lactoferrin möglicherweise die Bildung bestimmter antioxidativer Enzyme unterstützt, was sich positiv auf die Hautregeneration auswirken könnte.
Allerdings liegen zur Wirkung von oral eingenommenem Lactoferrin auf die Hautgesundheit derzeit noch keine ausreichenden Daten vor, die eine klare gesundheitsbezogene Aussage erlauben würden. Auch bei topischen Produkten variiert die Zusammensetzung oft stark, und klinische Studien in größerem Maßstab sind rar.
Weitere potenzielle Mechanismen
- Antivirale Eigenschaften: Einige Laborstudien haben gezeigt, dass Lactoferrin mit viralen Oberflächenmolekülen interagieren kann und dadurch möglicherweise das Eindringen bestimmter Viren in Zellen erschwert [13]. Allerdings ist die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen noch Gegenstand intensiver Forschung.
- Antimikrobielle Effekte: Neben der antibakteriellen Aktivität infolge der Eisenbindung wird ebenfalls diskutiert, dass Lactoferrin über bestimmte Peptidfragmente (Lactoferricine) direkt gegen Mikroben wirken könnte [14]. Diese Beobachtungen stammen überwiegend aus In-vitro-Versuchen.
- Antioxidative Aktivitäten: Das Binden von freien Eisenionen kann mögliche oxidative Schäden reduzieren. Darüber hinaus wurde in einigen Studien beobachtet, dass Lactoferrin die Aktivität anderer antioxidativer Systeme im Organismus steigern könnte [15].
Kritische Betrachtung der Studienlage
Obwohl die Vielfalt potenzieller Wirkmechanismen und Vorteile vielversprechend klingt, zeigt eine kritische Betrachtung der Studienlage, dass zahlreiche Untersuchungen entweder im Labor oder an Tieren durchgeführt wurden. Zwar existieren mittlerweile einige Humanstudien, doch sind diese oft von begrenzter Teilnehmerzahl und teils methodisch heterogen.
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die Bioverfügbarkeit von Lactoferrin – also in welchem Umfang das Supplement tatsächlich im Körper ankommt und dort Wirkung entfalten kann – noch nicht vollständig verstanden ist [7]. In manchen Studien wird Lactoferrin so aufbereitet, dass es magensaftresistent ist oder in Kombination mit anderen Stoffen (z. B. Probiotika) verabreicht wird. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Abbau im Magen-Darm-Trakt zu reduzieren. Wie erfolgreich dies im Einzelfall ist, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, unter anderem von der individuellen Magen-Darm-Gesundheit, der Art der Nahrung und weiteren Parametern.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass viele Studien, in denen positive Effekte von Lactoferrin beobachtet wurden, vom jeweiligen Hersteller oder in Kooperation mit Unternehmen durchgeführt sein könnten. Dies ist nicht per se problematisch, wird aber von der wissenschaftlichen Gemeinschaft kritisch beurteilt, da Interessenkonflikte nie gänzlich ausgeschlossen werden können.
Auch wenn die Ergebnisse aus in-vitro-Modellen und Tierstudien vielversprechend sind, ist der Transfer auf den Menschen nur eingeschränkt möglich. Daher besteht Bedarf an groß angelegten, randomisierten, kontrollierten Humanstudien, um eindeutige Aussagen zu treffen. Solange es keine gesicherten Nachweise nach den Vorgaben der zuständigen Behörden (z. B. der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA) gibt, dürfen gesundheitsbezogene Werbeaussagen gemäß der Health-Claims-Verordnung nicht verwendet werden.
Risiken und Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen
Lactoferrin gilt im Allgemeinen als gut verträglich. In vielen Studien zur oralen Einnahme wurden nur wenige Nebenwirkungen berichtet, und wenn, dann handelte es sich häufig um leichtes Magen-Darm-Unwohlsein [16]. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass jeder Körper individuell reagiert und insbesondere Personen mit Unverträglichkeiten oder Allergien gegen Milchbestandteile unter Umständen entsprechende Symptome zeigen könnten.
Einzelne Fallberichte weisen zudem auf mögliche allergische Reaktionen hin, die jedoch selten zu sein scheinen. Da Lactoferrin ein körpereigenes Protein ist, das beim Menschen ebenfalls vorkommt, ist eine allergische Sensibilisierung unwahrscheinlicher als bei rein fremden Proteinen. Trotzdem ist dieser Aspekt nicht gänzlich auszuschließen.
Überdosierung und Risiken
Obwohl Lactoferrin keine klassische toxische Wirkung zeigt, könnten zu hohe Dosen theoretisch Ungleichgewichte im Eisenhaushalt verursachen. Das Protein bindet Eisen im Organismus, was in seltenen Fällen, etwa bei einer zusätzlichen hochdosierten Eisensupplementation, zu einer übermäßigen Akkumulation führen könnte [17].
Ein weiteres mögliches Risiko besteht darin, dass eine langfristige, hochdosierte Lactoferrin-Einnahme das Mikrobiom des Darms in ungünstiger Weise beeinflusst, indem bestimmte Mikroorganismen gehemmt werden, die möglicherweise für ein gesundes Gleichgewicht im Darm wichtig sind. Allerdings ist hierzu die Datenlage derzeit nicht eindeutig.
Gerade Personen mit bereits bestehenden Eisenstoffwechselstörungen (z. B. Hämochromatose) oder anderen Vorerkrankungen sollten die Einnahme mit ärztlichem Rat abstimmen. Ein professionelles Monitoring kann sicherstellen, dass keine gesundheitlichen Risiken entstehen.
Lactoferrin als Nahrungsergänzungsmittel
Formen und Darreichungsformen
Lactoferrin kann in verschiedenen Darreichungsformen angeboten werden. Am gängigsten sind Kapseln oder Tabletten, die das Pulver enthalten. Darüber hinaus existieren Pulver zum Einrühren in Getränke und gelegentlich auch flüssige Lösungen. Bei den herkömmlichen Kapseln wird meist Lactoferrin aus Kuhmilch eingesetzt, während bei höherpreisigen Produkten manchmal versucht wird, Lactoferrin biotechnologisch herzustellen, um bestimmte Allergene zu minimieren oder eine höhere Reinheit zu erzielen.
Dosierung und Anwendungsempfehlungen
Die Dosierung von Lactoferrin variiert stark: Manche Produkte empfehlen Mengen von 100 mg pro Tag, andere gehen bis zu mehreren Hundert Milligramm. Eine allgemein gültige Referenzdosis existiert derzeit nicht. In Studien kamen je nach Fragestellung oftmals Dosierungen zwischen 100 mg und 1 g (1.000 mg) pro Tag zum Einsatz [18].
Welche Dosierung im Einzelfall sinnvoll ist, hängt von den gewünschten Effekten, der gesundheitlichen Ausgangslage sowie der Produktqualität ab. Da Lactoferrin kein essentielles Nahrungsmittel ist, gibt es keine ausgewiesenen Minimalmengen, die zur Vermeidung von Mangelzuständen erforderlich wären. Dennoch sollte stets bedacht werden, dass auch vermeintlich harmlose Nahrungsergänzungsmittel bei unsachgemäßer Verwendung Nachteile haben können.
Anwendungsgebiete und Zielgruppen
Basierend auf den diskutierten Mechanismen greifen unterschiedliche Personengruppen zu Lactoferrinpräparaten. Eine mögliche Zielgruppe können Personen sein, die ihre allgemeine Immunfunktion unterstützen möchten. Ein anderer Fokus könnte auf Personen liegen, die sich für eine gezielte Unterstützung des Eisenhaushalts interessieren – in Ergänzung zu einer ärztlich abgeklärten Eisensupplementation.
Auch im Kontext der Darmgesundheit wird Lactoferrin gelegentlich ins Spiel gebracht, wobei es hier primär um das potenzielle Gleichgewicht des Mikrobioms geht. Weitere Zielgruppen sind Menschen mit besonderen Belastungen, beispielsweise im Leistungssport, wo eine Stabilisierung der Immunfunktion während intensiver Trainingsphasen angestrebt wird [9].
Allerdings ist in allen Fällen zu betonen, dass Lactoferrin nicht als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung oder ärztlich verordnete Therapien gesehen werden sollte. Zahlreiche Faktoren wie Lebensstil, Schlafqualität, Stress und weitere Nährstoffzufuhr sind wesentlich für das Wohlbefinden und sollten deshalb nicht vernachlässigt werden.
Nachhaltigkeits- und Ethikaspekte
Herstellungsprozesse
Traditionell wird Lactoferrin aus Kuhmilch gewonnen, indem das Protein über verschiedene Filtrations- und Isolationsverfahren extrahiert wird [19]. Dieser Prozess ist relativ aufwendig und erfordert große Mengen an Rohmilch, was Fragen der Nachhaltigkeit aufwirft. Eine Alternative stellen biotechnologische Verfahren dar, bei denen mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen (z. B. Hefen) Lactoferrin synthetisiert werden kann. Diese Herangehensweise könnte zum einen ressourcenschonender sein, zum anderen aber ethische Fragen rund um Gentechnik und Produktsicherheit aufwerfen.
Zudem existiert Forschung zur Möglichkeit, synthetisches Lactoferrin herzustellen, das strukturell dem menschlichen Lactoferrin ähnelt. Dies kann für Menschen mit Kuhmilchunverträglichkeiten oder Veganer interessant sein. Dennoch ist diese Technologie noch nicht in großem Maßstab ausgereift und wirft weitere Fragen nach den Langzeitauswirkungen und einer möglichen Kennzeichnungspflicht auf.
Tierwohl und Umweltaspekte
Die konventionelle Lactoferringewinnung aus Kuhmilch hängt direkt mit der Milchindustrie zusammen. Milchproduktion ist mit verschiedenen Umweltfaktoren verbunden, etwa Emissionen von Treibhausgasen, Flächenverbrauch und Wasserverbrauch [20]. Das Tierwohl ist ein weiterer Aspekt: Eine hohe Milchleistung bei Kühen wird teilweise durch intensive Zucht und Haltungsbedingungen forciert.
Für Personen, denen Nachhaltigkeit und Tierwohl besonders am Herzen liegen, kann es daher sinnvoll sein, auf Bio-Produkte oder zertifizierte Herstellungsprozesse zurückzugreifen. Wenn biotechnologisch hergestelltes Lactoferrin frei von tierischen Bestandteilen ist, könnte dies eine Alternative sein. Allerdings sollte beachtet werden, dass auch diese Herstellungsmethode Energie und Ressourcen benötigt und potenziell gentechnische Verfahren einsetzt.
Marktentwicklungen
Der weltweite Markt für Lactoferrin wächst, getragen von steigender Nachfrage nach funktionellen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln [21]. Während das Angebot an Lactoferrin-Kapseln, -Pulvern oder -Drinks zunimmt, führt diese Entwicklung auch zu erheblichen Preisunterschieden. Hochreines Lactoferrin gilt als kostspielig, sodass Produkte mit ausreichender Menge an Lactoferrin oft teurer sind als andere Nahrungsergänzungsmittel.
Gleichzeitig steigen Investitionen in die Forschung, um Lactoferrin mittels Fermentation oder gentechnischer Verfahren effizienter herzustellen. Daraus könnten sich in Zukunft preiswertere, potentiell ethisch und ökologisch akzeptablere Angebote ergeben.
Regulierung und Zulassung
In der Europäischen Union sind Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel strengen Vorschriften unterworfen. Für bestimmte Substanzen, die neuartig sind oder in größerem Umfang als bisher verwendet werden, kann eine Zulassung im Rahmen der Novel-Food-Verordnung erforderlich sein [22]. Lactoferrin aus Kuhmilch war in Europa lange Zeit in unterschiedlichen Produkten vertreten, allerdings teilweise in Mengen, die so in der natürlichen Milch gar nicht vorkommen.
Fazit und Ausblick
Lactoferrin ist ein vielseitiges Protein mit interessanten potenziellen Eigenschaften, die in Laborstudien und Tierversuchen bereits nachgewiesen wurden. Im menschlichen Körper spielt Lactoferrin eine Rolle in der Eisenregulation, der Immunantwort und der Abwehr bestimmter Mikroorganismen. Diese biologischen Grundlagen haben zu einer wachsenden Nachfrage nach Lactoferrin als Nahrungsergänzungsmittel geführt.
Die derzeitige Studienlage zeigt, dass Lactoferrin im Allgemeinen gut verträglich ist, aber eindeutig belastbare Daten aus groß angelegten Humanstudien zum gesundheitlichen Nutzen fehlen nach wie vor. Zwar existieren erste Untersuchungen, die positive Effekte nahelegen, jedoch sind diese häufig entweder klein angelegt, industriegesponsert oder weisen methodische Schwächen auf. Wer Lactoferrin als Nahrungsergänzungsmittel nutzen möchte, sollte sich dieses Umstands bewusst sein und realistische Erwartungen haben.
Daneben spielen Nachhaltigkeits- und Ethikaspekte eine wichtige Rolle. Da Lactoferrin hauptsächlich aus Kuhmilch gewonnen wird, stehen Tierwohl und Umweltbelastung zur Diskussion. Biotechnologische oder synthetische Verfahren könnten hier langfristig Alternativen bieten, werfen jedoch Fragen rund um Gentechnik und Kennzeichnungspflichten auf. Auch Preis und Qualität variieren erheblich zwischen den verschiedenen Produkten, weshalb eine sorgfältige Auswahl und Beratung sinnvoll sind.
Im Rahmen der Gesetzgebung unterliegt Lactoferrin einer strengen Kontrolle, was Sicherheit, Kennzeichnung und Health Claims angeht. Aus diesem Grund finden sich derzeit nur wenige zugelassene gesundheitsbezogene Aussagen zu Lactoferrin. Hersteller dürfen zwar auf die natürlichen Eigenschaften des Proteins verweisen, aber nicht mit spezifischen gesundheitsfördernden Wirkversprechen werben, wenn diese nicht behördlich genehmigt wurden.
In Zukunft ist zu erwarten, dass weitere Forschungsergebnisse vorliegen und gegebenenfalls gezielte Aussagen zu bestimmten Indikationen (z. B. Eisenstatus, Darmgesundheit oder Immunbalance) möglich werden. Gleichzeitig ist eine stärkere Entwicklung biotechnologischer Herstellungsverfahren denkbar, die Lactoferrin in größerem Maßstab und zu niedrigeren Preisen verfügbar machen könnte. Solange der wissenschaftliche Konsens jedoch nicht hinreichend untermauert ist, empfiehlt sich ein reflektierter Umgang mit Lactoferrin und eine fachliche Beratung im Einzelfall – insbesondere bei Vorerkrankungen oder bei der parallelen Einnahme anderer Eisenpräparate.
Quellen
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